Messen Noten wirklich unsere Leistung? Genauigkeit der Leistungsbeurteilung von Lehrkräften

Bereits nach der 4. Klasse trennen sich das erste Mal für Schüler:innen die Bildungsverläufe. Ob jemand auf eine Stadtteilschule oder aufs Gymnasium kommt, entscheidet sich vor allem anhand der Noten, also der Leistungsbeurteilung von Lehrkräften. Und auch wenn in Hamburg die Gymnasialempfehlung nicht verpflichtend ist, zeigen die Zahlen, dass die meisten Familien sich daran halten. 

Aber auch im späteren Bildungsverlauf bestimmen vor allem unsere Noten darüber, welche Möglichkeiten wir im Bildungssystem erhalten und was wir erreichen können. 

Noten spielen also eine extrem wichtige Rolle in unserem Bildungssystem, aber messen Noten wirklich unsere Leistung? 

Eine Meta-Analyse von Südkamp und Kollegen, welche 75 Studien berücksichtigt, ergab, dass die Leistungsbeurteilung von Lehrkräften mit der tatsächlichen Leistung der Schüler:innen zu 0.63 übereinstimmt. Diese Ergebnisse zeigen zwar eine positive und relativ hohe Korrelation, aber eben auch dass die Beurteilung von Lehrkräften bei weitem nicht perfekt ist. So wird über 1/3 der Note also durch andere Effekte beeinflusst. 

Es gibt eine ganze Reihe an Effekten und Merkmalen, welche einen Einfluss auf die Urteilsgenauigkeit von Lehrkräften haben. Ein bekannter Urteilsfehler ist der Haloeffekt, wo aufgrund weniger nicht valider Indikatoren (z.B. Aussehen) auf globale Merkmale der Schüler:innen geschlossen wird. Beispielsweise Ritts und Kollegen konnten in einer Studie zeigen, dass die physische Attraktivität von Schüler:innen einen Einfluss auf die Leistungsbeurteilung hat. So werden attraktivere Schüler:innen positiver beurteilt. Aber auch andere berühmte Urteilsfehler wie der logische Fehler, wo von der Ausprägung eines bestimmten Merkmals auf ein anderes Merkmal der Schüler:innen geschlossen wird sowie der Pygmalioneffekt, wo sich die Erwartungshaltung der Lehrkräfte über Schüler:innen auf das Verhalten und deren Leistung auswirkt, haben einen Einfluss auf die Urteilsgenauigkeit von Lehrkräften. 

Weitere Studien zeigen, dass auch der sozioökonomische Status einen Einfluss auf die Urteilsgenauigkeit hat. Dieser steht zwar allgemein im Zusammenhang mit schulischer Leistung, sollte aber bei der Beurteilung einzelner Schüler:innen keine Rolle spielen. Lehrkräfte unterschätzen die Leistung der Schüler:innen, die einen schlechteren sozioökonomischen Status aufweisen. Verschiedene Studien konnten zeigen, dass auch unsere Persönlichkeit einen Einfluss auf die Urteilsgenauigkeit hat. 

Andere Studien deuten auch noch auf andere Einflüsse hin, welche hier nicht weiter explizit erwähnt werden.

Eine genauere Urteilsgenauigkeit ist nicht nur eine Sache der Fairness, weil sie maßgeblich über unseren Bildungsverlauf entscheidet, sondern kann auch effizienteres Handeln in unserem Bildungssystem ermöglichen. Denn die Mittel in unserem Bildungssystem sind oftmals sehr begrenzt und genauere Lehrerurteile können dazu beitragen Schüler:innen zu identifizieren, die frühe Anzeichen von Schulschwierigkeiten zeigen. Aber auch im Allgemeinen können Schüler:innen unabhängig von ihrem Leistungsgrad besser entsprechend gefördert werden, da Lehrkräfte ihre Unterrichtspraktiken besser anpassen können und somit einen besseren Lernerfolg ermöglichen können. Eine genauere Urteilsgenauigkeit kann auch die Entwicklung eines angemessenen akademischen Selbstkonzepts unterstützen.

Die Urteilsgenauigkeit von Lehrkräften ist also auch eine Sache der Ressourcenoptimierung in unserem Bildungssystem. 

Eine leichte Überschätzung der Schüler:innen sehen allerdings einige als unproblematisch und erstrebenswert an, da von einem positiven Effekt auf die Lernleistung ausgegangen werden kann.

Daher fordern die Jungen Liberalen Hamburg:

  • Lehrkräfte über Urteilsfehler, die die Genauigkeit ihrer Urteile beeinflussen, besser aufklären
  • Förderung von diagnostischem, fachwissenschaftlichem und fachdidaktischem Wissen

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