Die neue Hamburger Linie – Bürgerrechte stärken, Menschen schützen Sicherheitspolitik in Hamburg

  1. Versammlung ist Freiheitrecht und nicht Gefahrenabwehr

Die Versammlungsfreiheit ist ein Stück ursprünglicher ungebändigter unmittelbarer Demokratie und ein Ausdruck von demokratischer Offenheit. Die Versammlungsfreiheit ist keine Staatsschutzvorschrift, sondern ein demokratisches Teilhaberecht. Die Versammlungsfreiheit ist konstituierendes Element eines freien Meinungs- und Willensbildungsprozesses. Gerade deshalb müssen staatliche Eingriffe in Versammlung auf das Nötigste beschränkt werden.

Seit der Föderalismusreform von 2006 haben die Länder die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht. Hamburg soll von dieser Gesetzgebungskompetenz Gebrauch machen. Das Versammlungsgesetz soll dabei nicht als reines Gefahrenabwehrrecht verstanden werden, sondern zu einem Freiheitsgewährleistungsrecht weiterentwickeln werden. Als Vorbild dient hier das Versammlungsfreiheitsgesetz in Schleswig-Holstein und der Entwurf der AG Versammlungsrecht um den ehemaligen Bundesverfassungsgerichtsrichter Hoffmann-Riem.

Die Jungen Liberalen Hamburg fordern u.a. folgende Änderungen:

Die Durchführung einer Versammlung darf nicht unter einem Genehmigungsvorbehalt stehen, auch nicht faktisch. Ein Versammlungsverbot muss daher auf absolute Ausnahmen beschränkt bleiben. Allgemeinverfügungen, durch die zu bestimmten Zeiten oder an bestimmten Orten pauschal ein Verbot ausgesprochen wird, werden dem nicht gerecht. Das Versammlungsgesetz darf sie nicht zulassen.

Protestcamps, aus denen heraus Straftaten geplant werden, treten wir scharf entgegen. Sie können sich nicht auf den Schutz der Versammlungsfreiheit berufen. Sofern es um friedliche Camps geht, die zur Unterbringung der Versammlungsteilnehmer*innen dienen, soll die Reflexwirkung eines Verbots auf die Versammlungsfreiheit bei der Entscheidung ermessenslenkend berücksichtigt werden.

Für Übersichtsaufnahmen müssen klare Regelungen geschaffen werden, die die Datenverwertung versammlungsspezifisch regelt. Die Jungen Liberalen Hamburg lehnen eine automatisierte Gesichtserkennung ab.

Kontrollstellen und Vorfeldmaßnahmen müssen auf eine möglichst weitgehende Datensparsamkeit angelegt sein, um bereits den Eindruck einer staatlichen Registrierung der Versammlungsteilnehmer zu vermeiden. Bislang kennen die Versammlungsgesetze keine Regelungen zu Kontrollstellen. Die bisherigen Kontrollstellen auf Anfahrtswegen werden auf das allgemeine Polizeirecht gestützt, das insoweit nur zum Teil versammlungsspezifische Tatbestände enthält (etwa § 12 Abs. 1 Nr. 4 PolG NRW), die ihren systematischen Ort aber wegen ihrer Versammlungsspezifik im Versammlungsgesetz haben sollten. Besondere Vorkehrungen, die dem Schutz der inneren Versammlungsfreiheit dienen, sehen die bisherigen polizeirechtlichen Regelungen zu Kontrollstellen nicht vor. Kontrollstellen und Vorfeldmaßnahmen in Zusammenhang mit Versammlungen sollen daher auch nur zur Prävention von versammlungsspezifischen Gefahren dienen. So ist die Kontrolle des Erste-Hilfe-Kastens keine versammlungsspezifische Gefahr.

Das Vermummungsverbot soll von einer Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit abgemildert werden.

Die Zuständigkeitsverlagerung für Versammlungen von der Polizei auf die Innenbehörde soll geprüft werden.

  1. Gefahrenabwehr und Strafverfolgung

Unter der Hamburger Linie wird ein besonders hartes Eingreifen der Polizei verstanden. Mehrere Einsätze, die der Hamburger Linie gefolgt sind, sind im Nachgang für rechtswidrig erklärt worden. Die Jungen Liberalen Hamburg setzen sich deshalb für eine neue Hamburger Linie ein, die sich an den Grundsätzen der offenen Polizeiführung orientieren soll.

Leitbild einer solchen offenen Polizeiführung sollten die vier Prinzipien der

ausgestreckten Hand sein:

1) der Grundsatz „So wenig polizeiliche Intervention wie möglich, so viel konsequentes Durchgreifen gegen Gewalt wie nötig“,

2) das Ziel beweissicherer Festnahmen bei Zugriffen,

3) die Stärkung von Prävention und

Kommunikation in der Polizeiarbeit,

und 4) eine umfassende Qualifizierung und Modernisierung der Polizei.

Ziel ist somit eine demonstrationsfreundlichen und deeskalativen Polizeiarbeit.

Die Jungen Liberalen Hamburg lehnen die Präventivhaft zur Gefahrenabwehr ab.

Der derzeitige Gefährderbegriff, der von der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamtes im Jahr 2004 beschlossen worden ist, geht zu weit. Demnach ist ein Gefährder ist eine Person, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a der Strafprozessordnung (StPO), begehen wird. Unter § 100a StPO fallen jedoch auch Sportwettenbetrug, Bankrott und Verstöße gegen das Anti-Doping-Gesetz. Diese sollen einer kritischen Evaluation unterzogen werden.

Die Jungen Liberalen Hamburg fordern eine anonymisierte Kennzeichnungspflicht auf Großveranstaltungen und Demonstrationen. Eine Kennzeichnung ist Ausdruck von Rechtsstaatlichkeit und Vertrauen in unsere Polizisten. Um die Persönlichkeitsrechte und die persönliche Sicherheit der eingesetzten Polizeikräfte zu wahren, soll die jeweils vergebene Kennzeichnung bei jedem Einsatz gewechselt werden. Gerade weil die Jungen Liberalen der Überzeugung sind, dass der überwiegende Großteil der Einsatzkräfte sich korrekt verhält, stellt die Kennzeichnungspflicht die Polizei nicht unter Generalverdacht. Die Ansicht der CDU, dass eine solche Maßnahme aus reinem Misstrauen gegenüber der Polizei erfolgt, zeigt, wie stark die Konservativen davon überzeugt sind, dass sich die Polizisten nicht ans Gesetz halten.

Die Jungen Liberalen Hamburg lehnen das Beimischen von Pfefferspray im Wasserwerfer ab. Der verfolgte Zweck der Auflösung wird bereits durch 1200 l/min und einer Wurfweite von bis zu 65 Meter ausreichend erfüllt. Durch den Einsatz von Pfefferspray können unbeteiligte Dritte in Mitleidenschaft gezogen werden und es entsteht eine zusätzliche Umweltbelastung.

Auch lehnen die Jungen Liberalen eine Grundlage im SOG für das Beimischen von Farbe im Wasserwerfer ab. Die damit primär bezweckte Kennzeichnung von gewalttätigen Demonstranten ist keine Frage der Gefahrenabwehr, sondern wenn dann eine der Strafverfolgung und ist demnach in der Kompetenz des Bundes und keine Frage des SOG.

Gefahrenabwehr hat vor der Strafverfolgung Vorrang. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht beides verfolgt werden kann. Auf Demonstrationen, die nach der Gefährdungseinschätzung der Polizei ein gesteigertes Gewaltpotential müssen auch genug Beweismittelsicherungstrupps vor Ort sein. Der Einsatz von Body Cams kann nicht dazu führen, dass nur Straftaten der Demonstranten dokumentiert werden, vielmehr dienen sie auch der Selbstkontrolle der Polizei. Die Entscheidung, ob die Kamera an oder aus ist, kann daher nicht bei der Einsatzleitung liegen. Beweiserhebung, -speicherung und -verwertung müssen organisatorisch und strukturell voneinander getrennt sein.

Eine Öffentlichkeitsfahndung, wie z.B. bei der Pressekonferenz der Sonderkommission „Schwarzer Block“, kann nur als ultima ratio genutzt werden und muss im Verhältnis zur Schwere der Tat und der Schwere für den Betroffenen (z.B. bei Minderjährigen) sein. Die Öffentlichkeitsfahndung dient gerade nicht als Pranger, sondern als Mittel der Polizeiarbeit.

Die Jungen Liberalen Hamburg sprechen sich für einen Polizeibeauftragter aus, der Ansprechpartner für Bürger und Menschenrechtsorganisationen, sowie für Polizisten ist. Der Polizeibeauftragte soll eine externe und unabhängige Stelle für polizeiliche Missstände und Fehler sein, ohne dabei Sanktionen oder berufliche Nachteile befürchten zu müssen.

  1. Austausch von Informationen zwischen Sicherheitsbehörden

Wegen falscher Datensätze ist laut Innenministerium in einigen Fällen zu Unrecht der Zugang zum G20-Gipfel verwehr worden. Vor allem sind Daten unzulässig gespeichert und weitergegeben worden, obwohl diese hätten gelöscht werden müssen.

Die geschaffene Stelle zur Überprüfung der Hamburger Datensätze ist völlig unterbesetzt.

Die Jungen Liberalen Hamburg fordern, dass nicht die Prüfer angeben müssen, welche Daten gelöscht werden müssen, sondern dass die Polizei Hamburg anmeldet welche Daten aus welchem Grund sie noch benötigt.

Grundsätzlich muss in Zukunft Datenerhebung, Datenspeicherung und Datennutzung organisatorisch und strukturell getrennt werden.

Die Kooperationen von Bund und Land, sowie zwischen den Ländern im GTAZ und GTEZ müssen mit klaren Zuständigkeiten umstrukturiert werden und auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Doppelzuständigkeiten, wie gem. § 4a BKAG, lehnt die FDP Hamburg ab. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung zur Aufgabenerweiterung des Bundesgrenzschutzes von 1992 festgestellt: „Die Aufteilung der Kompetenz zwischen den Landespolizeien als Vollzugsbehörde einerseits und koordinierenden Zentralstellen auf Bundesebene sind Ausprägung der Bundesstaatlichkeit und Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland, sowie ein Gebot des Grundrechtsschutzes.“

Das unausgesprochene Organisationskonzept dieses Zustands ist: Wir geben einmal allen Behörden, die wir haben, alle Kompetenzen, die wir kennen, und dann sehen wir weiter. Welche fatalen Folgen eine so unklare Zuständigkeitsabgrenzung haben kann, hat der Verlust von zwei Hinweisen auf das Versteck von Hans-Martin Schleyers 1977 gezeigt, worauf Bund und Länder ihre Aufgaben 1978 klar voneinander abgegrenzt haben. Gerade im Bereich der Gefahrenabwehr ist, wie das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung betont hat, „eine klare und überschneidungsfreie Abgrenzung der Zuständigkeiten erforderlich.“ Andernfalls entstehe eine funktionale Mischverwaltung. Auch im Fall Amri haben die Defizite des aktuellen Systems eine Prävention der Tat möglicherweise verhindert.

Neben der nationalen Ebene ist eine europäische Kooperation wichtig. Eine Weitergabe von Informationen darf es aber nur eine anlassbezogene geben. Das ungefilterte Weiterleiten von Rohdaten lehnen die Jungen Liberalen Hamburg ab. Darauf bezogene Verwaltungsvereinbarungen müssen deshalb sorgfältig unter Abwägung der verschiedenen grundrechtlichen und staatlichen Interessen durch das Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestages überprüft werden.

  1. Stärkung der Einsatzkräfte

Eine klar und sichere Rechtslage ist für die Einsatzkräfte von besonderer Bedeutung. Im Einsatz sollen die Kräfte keine juristischen Meinungsstreitigkeiten austragen, sondern die Situation entschärfen. Hier ist es Aufgabe der Politik den Einsatzkräften, die sich an die Vorschriften halten, den Rücken zu stärken.

Die Polizei zu stärken heißt für die Jungen Liberalen Hamburg, dass man den Aufgaben entsprechend ausreichendes Personal hat, welches angemessen ausgebildet ist und mit modernster Technik ausgestattet wird. Unzählige Überstunden und schlechte Koordination können gerade bei Großeinsätzen zu Reaktionen führen, welche über das zulässige Maß hinausgehen. Deswegen muss bei Einsätzen darauf geachtet werden, dass Dienst- und Ruhezeit in einem vernünftigen Verhältnis zueinanderstehen. Ob bei Großeinsätzen eine 1:1 Stundenberechnung erfolgt oder ob stattdessen Sonderurlaub gewährt wird, muss geprüft werden.

Bei Großeinsätzen ist sicherzustellen, dass möglichst erfahrene Polizisten eingesetzt werden und Einsatzgruppen angemessen aus erfahrenen und unerfahrenen Polizisten zusammengesetzt sind.

Die Möglichkeit die Auskunft über die Wohnanschrift zu sperren, wie es schon bei LKA-Beamten der Fall ist, soll generell auf Polizeibeamte im Außendienst ausgeweitet werden.